Hans-Joachim Niemann, ›Die "Krise in der Erkenntnistheorie" - Sokal, Bricmont und die wissenschaftlichen Standards in der Philosophie‹, CONCEPTUS Nr. 80 (2000), in print.

Zusammenfassung. Unklarheiten und Unzulänglichkeiten in der Wissenschaftstheorie Karl Poppers sollen im Verein mit seiner starrsinnigen Leugnung der Möglichkeit sicherer Erkenntnis überzogene Kritik provoziert, zu einer Krise in der Erkenntnistheorie geführt und auf diese Weise die irrationalen Verirrungen des postmodernen Relativismus hervorgerufen haben. Diese Kritik wird von den beiden Physikern Sokal und Bricmont vorgebracht, die im gleichen Buch kompetent und verdienstvoll die irrationalen Züge in den Werken vieler postmoderner französischer Denker bloßgestellt haben. Ihre Kritik an Popper erhält dadurch und durch ihre Kenntnis der wissenschaftlichen Praxis, die sie der Wissenschaftstheorie Poppers entgegenhalten, besonderes Gewicht. Sie lassen aber im Dunkeln, wie die von ihnen praktizierte Induktion funktioniert und welches Problem sie löst; denn die Physik kommt ohne Induktion aus. Was die Autoren als "wörtlich genommenen" Popper ausgeben, hat er, wie ich zeige, nicht gesagt und nicht gemeint, sondern das entspricht einem seit Jahrzehnten kolportierten Klischee. Die Zurückweisung der neuerlichen Kritik an Popper gibt Gelegenheit, einen Blick auf die sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen Standards in Physik und Philosophie zu werfen und einige Vorschläge dafür zu machen, die Standards der Physik auch in der Philosophie zu verankern.

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