Scott Johnston: "Sei doch vernünftig - Philosoph Hans-Joachim Niemann im Porträt", Erlanger Nachrichten (23. Aug. 2008), S. 5.


Rezensionen zu Niemann, LEXIKON DES KRITISCHEN RATIONALISMUS (Tübingen, Mohr Siebeck, 2004, 2006)

 

Joseph Hanimann in der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) Nr. 291, 13. Dez. 2004, S. 35.

"Hier hat ein Autor das Genre der lexikalischen Gesamtdarstellung so auszuschöpfen gewusst, dass man vor- und zurückblätternd sich festliest im Systematischen, Historischen, Anekdotischen und, wie es sich bei diesem Buchgenre gehört, der Finger bald nicht mehr genug hat."

 

Helmut Walther in AUFKLÄRUNG UND KRITIK 11. Jg. 2004 (2), S. 256-260: www.gkpn.de/walther_krr.htm - 17k

"Wer sich mit diesen auf die schrittweise (theoretische und praktische) Verbesserung der Realität zielenden Grundzügen des Kritischen Rationalismus vertraut machen möchte, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt..."

 

Peter Moser in INFORMATION PHILOSOPHIE 2004 (4), S. 60-61.

Peter Moser berichtet in wenigen Zeilen über die ca. 1000 Artikel des das 432 Seiten starken Lexikons und moniert: "Autoren ... wie Topitsch ('Weltanschauungsanalyse') oder Spinner ('kritischer Kritischer Rationalismus') werden nicht behandelt." ... "Allerdings werden die vielen Gegenargumente, die zu Popper vorgebracht worden sind, leider nicht behandelt."

 

Zeitschrift für Politikwissenschaft Heft 1 (2005), S. 312.

"...für die eigene Überprüfung und Recherche zu Popper äußerst hilfreich"

 

ekz-Informationsdienst Nr. 3 (2007), S. 142.181.7

"Alphabetisch geordnetes Nachschlagewerk zu Einzelbegriffen der wohl bedeutendsten Denkrichtung des 20. Jahrhunderts" ... "... für den Präsenzbestand" ..."...der Einsatz in der Ausleihe als 'Leselexikon' [ist] ebenfalls gerechtfertigt".

 

 

Noretta Koertge schreibt im Cambridge Companion to Popper (ed. by J. Shearmur, to be published): "... Niemann’s tremendously useful Lexikon des Kritischen Rationalismus (2004)."  www.indiana.edu/~koertge/rCamb_Popper.pdf


 

Pressekritiken zu meinen Vorträgen in Bamberg 1992-1993

Auf der Suche nach einer besseren Welt. Gesprächskreis der "Fränkischen Gesellschaft für Philosophie" befasste sich mit Karl Raimund Popper (Fränkischer Tag, Bamberg, den 24. Juli 1992 S. 14)

Die postmoderne Entscheidungsunfähigkeit überwinden. Fränkische Gesellschaft für Philosophie eröffnet Philosophischen Sommer - Dr. Niemann sprach "Über die Widerlegbarkeit von scheinbar Unwiderlegbarem" (Fränkischer Tag, Bamberg, den 20. Mai 1993, S. 21)

Entscheidung zur Vernunft. Dr. H.-J.Niemann über den Kritischen Rationalismus (Fränkischer Tag, Bamberg, den 28. Dez. 1993, S. 17)

 


 

Auf der Suche nach einer besseren Welt

Gesprächskreis der "Fränkischen Gesellschaft für Philosophie" befasste sich mit Karl Raimund Popper

(Fränkischer Tag, Bamberg, den 24. Juli 1992 S. 14)

Die wichtigste moralische Entscheidung, die wir in unserem Leben zu fällen haben, ist die Entscheidung zur Vernunft. Zu dieser Einsicht kam einer der meistgelesenen Philosophen unserer Zeit, Karl Raimund Popper, der am 28. Juli in Kenley bei London seinen 90. Geburtstag feiert. Aber worin unterscheidet sich der vernünftige Mensch vom unvernünftigen? Poppers Antwort lautet ähnlich der des Sokrates: Der Vernünftige wird sich seines Wissens nicht allzu gewiß sein. Nur von einem darf er tief überzeugt sein: daß keine unserer Meinungen eine letzte Wahrheit ist, daß jedes Wissen Fehler enthält und daß jede Handlung unerwartete Folgen haben könnte. Wer in dieser Art undogmatisch denkt, muß noch lange nicht auch unsicher und skeptisch werden; es gibt einen dritten, Popperschen Weg der Lebensorientierung: Wer kritisch ist und weiß, daß er Fehler macht, wird bereit sein, die Meinung des anderen nicht nur zu respektieren, sondern sie in seine Überlegungen miteinzubeziehen, um gemeinsam mit ihm zu besseren Handlungen und haltbareren Ansichten zu kommen.

Aus Fehlern lernen

Alles, was wir tun können, um vernünftiger zu werden, ist, miteinander zu sprechen. 'Vernünftig sein' in dieser Weise als ein soziales Phänomen und als 'kritisch sein' aufgefaßt und 'kritisch sein' als Synonym zu nehmen für die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen - das war in Kürze der Poppersche Gedankengang, dem der Gesprächskreis "Philosophie und Aufklärung" der Fränkischen Gesellschaft für Philosophie ein Jahr lang folgte und der kürzlich mit dem öffentlichen Vortrag einen vorläufigen Abschluß fand, den der Leiter dieses Gesprächskreises, Dr. Hans-Joachim Niemann, selber kritischer Rationalist und Naturwissenschaftler, im Rahmen der diesjährigen Vortragsreihe der Fränkischen Gesellschaft für Philosophie hielt.

Sein Referat "Wo bleibt das Positive, Herr Popper? Eine kritische Einführung in den kritischen Rationalismus" stellte nach einem kurzen Überblick über die wichtigsten Grundzüge der Popperschen Philosophie, dem kritischen Rationalismus, die Frage, warum denn eine so vielversprechende Philosophie, die uns Methoden in die Hand gibt, nicht nur in wissenschaftlichen, sondern vor allem auch in moralischen, politischen und sogar metaphysischen Fragen zwischen 'richtig' und 'falsch' unterscheiden zu können, warum diese praktisch ausgerichtete Philosophie dennoch relativ wenig Anklang findet und im Alltagsleben bisher kaum wirksam geworden ist. Den Grund sieht Niemann in den von vielen als 'negativ' empfundenen Popperschen Thesen: Wir müssen immer kritisch und selbstkritisch sein; wir machen ständig Fehler und müssen ständig nach Fehlern suchen; eine positive Rechtfertigung unserer Meinungen und Theorien gibt es nicht.

Schöne Idee

Dadurch scheint der kritische Rationalismus manchem Kritiker eine schöne Idee zu sein, die leider aber etwas praxisfern sei. Die Übertragung aus dem wissenschaftlichen Bereich in die Lebenswirklichkeit wird sogar als gefährlich angesehen. Im Extremfall unbeschränkter Kritik gegen alles -zum Beispiel auch gegen den Kern der Demokratie - werde Poppers kritischer Rationalismus am Ende die Basis jedes Kritizismus zerstören.

Doch diese Schwierigkeiten, so Dr. Niemann, lassen sich vermeiden, wenn man es aufgibt, die Kritik zum eigentlichen "Prinzip" des kritischen Rationalismus zu machen, und statt dessen kritischen Rationalismus als eine allgemeine Problemlösungsstrategie auffaßt, in der Kritik nur Mittel zum Zweck ist; zum Zweck nämlich, die bessere Problemlösung zu finden. In diesem von Niemann neuformulierten kritischen Rationalismus gibt es dann doch "positive Rechtfertigungen" unserer Meinungen und Theorien, insofern nämlich, als diese zu einer geglückten Problemlösung führen können. Als vernünftig gilt nur derjenige, der in jeder Situation zu Problemlösungen kommen will, die nicht nur für ihn allein von Vorteil sind. Das Schema, mit dessen Hilfe Probleme gelöst werden, wird vom kritischen Rationalismus im einzelnen angegeben. In ihm spielen Kritik und die Suche nach der besseren Alternative, aber auch Logik und Phantasie eine besondere Rolle.

Dritter Weg

Vernunft dieser Art sollte überall wirksam werden können, wo wir Probleme lösen müssen. Von daher beansprucht der kritische Rationalismus, die verloren geglaubte Einheit von Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften, Moral und Politik, Philosophie und Alltagsdenken und sogar die von Wissenschaft und Metaphysik wiederhergestellt zu haben.

Wer mit Popper auf der "Suche nach einer besseren Welt" ist, so Poppers letzter Buchtitel, wird weder den Dogmatikern in die Gipfel ewiger Wahrheiten folgen noch den Skeptikern auf abschüssigem Weg nachlaufen, sondern seinen dritten Weg in mittleren Höhen finden: unbeirrbar, aber nicht unkorrigierbar.

Der Gesprächskreis wird im Herbst fortgesetzt.


 

Die postmoderne Entscheidungsunfähigkeit überwinden

Fränkische Gesellschaft für Philosophie eröffnet Philosophischen Sommer - Dr. Niemann sprach "Über die Widerlegbarkeit von scheinbar Unwiderlegbarem"

(Fränkischer Tag, Bamberg, den 20. Mai 1993, S. 21)

Wer hat sich angesichts täglicher Schreckensnachrichten nicht schon einmal die Frage gestellt, welchen Sinn menschliches Leiden hat, ob es einen Gott gibt, was nach dem Tod kommt, ob die Welt so ist, wie sie uns erscheint, ob alles nur materiell ist oder ob auch Geistiges existiert? Traditionielle Fragen der ältesten Philosophie, "Metaphysik" genannt, auf die die verschiedensten Antworten gegeben wurden. Selten allerdings Antworten von der Art, die eine zwingende Erklärung darstellen, die uns für alle Zeiten zufrieden stellen. Man kann sie glauben oder auch nicht.

Das ist dem Naturwissenschaftler und kritischen Rationalisten Dr. Hans-Joachim Niemann zu wenig. Wenn solche Dinge sich nun einmal aller Erfahrung entzögen und daher weit entfernt seien von jeder wissenschaftlichen Prüfung, so müsse man doch nicht kapitulieren: Was empirisch nicht prüfbar sei, also von unseren Erfahrungen weder bestätigt noch widerlegt werden könne, ließe sich doch vielleicht auf andere Weise auf seine Richtigkeit hin überprüfen. Genau das zeigte Dr. Niemann in seinem Vortrag "Über die Widerlegbarkeit von scheinbar Unwiderlegbarem", in dem er für einen neuen Umgang mit Metaphysik plädierte. Niemann sprach zum Auftakt des Sommerprogramms der Fränkischen Gesellschaft für Philosophie.

Nur Übungsfeld

Hatte jemand konkrete Antworten auf Fragen über Gott, die Welt und den Menschen erwartet, so wurde er allerdings enttäuscht. Doch wollte Dr. Niemann wohl weniger den Katalog klassischer Antworten um einige weitere bereichern, als eher zeigen, wie man die verschiedenen, philosophischen Antworten als entweder 'richtig' oder 'falsch' beurteilen könne, und zwar so, daß jeder vernünftige Mensch diesem Urteil zustimmen müßte. Dieses Verfahren, so stellte Dr. Niemann für die in Aussicht, die an metaphysischen Problemen wenig Gefallen finden, würde auch die postmoderne Entscheidungsunfähigket in ethischen Fragen beheben, gleichgültig ob es sich nun um Sterbehilfe, Abtreibung oder die Entsendung von Soldaten zur Beendung des Völkermords handle. Die Metaphysik sei nur das Übungsfeld, auf dem er seine Methode, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden, erproben wolle.

Tatsächlich Problemlösung?

Den Gedanken der Rückkehr zur Entscheidungsfähigkeit gründet Dr. Niemann auf einen fast völlig unbeachtet gebliebenen Aufsatz von Karl Popper aus dem Jahre 1957. Das Rezept, das er, Popper folgend, anbietet, ist einfach: Wenn metaphysische Theorien nicht in dem Sinne falsch sein können, daß sie der Erfahrung widersprechen, so geben sie doch immer vor, ein Erkenntnisproblem oder irgendein anderes Problem zu lösen, so daß man fragen könne, ob denn dieses Problem tatsächlich gelöst wurde und ob es gut gelöst wurde. Wenn die Vorstellung von der Unsterblichkeit uns über den Gedanken an den Tod hinwegtrösten soll, kann man fragen, ob sie das wirklich tut, ohne neue, noch schwierigere Probleme aufzuwerfen. Oder: Wenn wir nicht nachprüfen können, ob die Gefühle anderer Menschen die gleiche Qualität haben wie unsere eigenen -was wissenschaftlich nicht nachprüfbar ist -, dann kann man fragen, ob eine Theorie, die das Gegenteil behauptet, nicht zu großen Problemen im Umgang mit anderen Menschen führen würde, so daß sie deshalb 'falsch' genannt werden müßte, hingegen unser Alltagsdenken, wonach anderen Menschen so fühlen wie ich, richtig wäre.

Qual der Wahl

Als falsch stellt sich nach dieser Methode der ansonsten unwiderlegbare Fatalismus, der Glaube an Schicksalsmächte, heraus, der in modernen Spielarten weiterhin gläubige Anhänger findet: "die Gesellschaft ist an allem Schuld, was ich falsch mache, denn ich bin bloß ein Produkt der Gesellschaft". Oder: "Die Erzieher sind schuld, denn sie haben meine frühkindliche Entwicklung gestört." Oder: "Der einzelne Mensch wie der einzelne Staat sind mit allem, was sie tun, ja nur ein Spielball der Geschichte". Falsch ist der Fatalismus, lernen wir, weil er das Problem der Verantwortung auf illusionäre Weise löst. Er kann uns zwar von jedem Fehler freisprechen, den wir gemacht haben, denn immer läßt sich das Geschehen so interpretieren, daß die Gesellschaft, die Geschichte oder ein besonderes Kindheitserlebnie schuld sind. Aber der Fatalismus kann dennoch nie im voraus sagen, wie wir handeln sollen. So bleibt uns, wenn wir den Fatalismus durchschaut haben, die Qual der Wahl nicht erspart. Er löst das Problem nicht, das er vorgibt zu lösen, und ist daher unhaltbar.

Mündet in Intoleranz

Falsch sei auch, so Dr. Niemann, der postmoderne Relativismus, der jedem Menschen das Recht auf eine eigene Wirklichkeit zuerkenne und jeder Kultur ihre eigenen Wahrheiten und Werte belasse, über die keine andere Kultur sich ein Urteil anmaßen dürfe. Überraschenderweise führe aber gerade diese Strategie, die ganz auf Toleranz gerichtet sei, im Konfliktfall zu höchster Intoleranz und torpediere damit ihre eigenen Absichten. Mit Dr. Niemanns Worten: "Der Relativist, der in der Illusion sich wiegend, nur der Toleranz zu dienen, den Glauben daran vernichtet, daß man sich über Wahrheit und Werte argumentativ einigen kann, der bringt sich und die, die ihm glauben, ohne es zu wollen, auf einen Weg, der in Konfliktfall nicht anders als bei Gewaltanwendung, also bei Intoleranz, endet."


 

Entscheidung zur Vernunft

Dr. H.-J.Niemann über den Kritischen Rationalismus

(Fränkischer Tag, Bamberg, den 28. Dez. 1993, S. 17)

Die Grundfrage nach dem Inhalt der Moral war das Thema eines öffentlichen Vortrags, den Dr. Hans-Joachim Niemann vor der Fränkischen Gesellschaft für Philosophie hielt. Der Referent ging von den allgemeinen Erfahrungen aus, daß heute in aller Welt hemmungslos gehaßt und getötet wird, daß selbst Staatsdiener unverfroren die Gemeinschaft betrügen und daß die Politik immer in Begründungsschwierigkeiten gerät, wenn Probleme mit sittlicher Relevanz gelöst werden müssen. Immer wieder stelle sich die Frage nach verbindlichen Maßstäben, deren Erkennbarkeit freilich auch von vielen Philosophen bezweifelt werde. Einen gangbaren Weg zur Überwindung des verbreiteten Relativismus unter gleichzeitigem Zugeständnis der Fehlbarkeit des Menschen und der Revidierbarkeit seiner Erkenntnisse sieht Dr. Niemann in der Lehre des Kritischen Rationalismus. Diese von Karl Popper begründete Denkrichtung versteht Moral als ein System von Spielregeln, die das Zusammenleben der Menschen verbessern sollen. Zu prüfen sei danach jeweils, welche Regeln das erstrebte Ziel am besten zu fördern vermöchten. Nicht auf Grund von abstrakten Unterscheidungen zwischen Gut und Böse, sondern im abwägenden Durchdenken alternativer Möglichkeiten und ihrer voraussichtlichen Folgen seien die für eine bestimmte Zeit richtigen Lösungen zu finden. Moralische Werte werden demnach als "Problemlösungsstrategien" angesehen, bei denen nicht allein Wissenschaft, sondern alle Formen menschlicher Erfahrung nutzbar gemacht werden sollten.

Wichtig sei in diesem Zusammenhang die Trennung von objektiven und sittlichen Werten einerseits von den bloß zeitbedingten, aus der Lebensweise hervorgehenden Wertvorstellungen andererseits. Obwohl die Durchsetzung des moralisch Richtigen ein weiteres schwieriges Problem bleibe, sei die Entscheidung zur Vernunft der wichtigste Schritt zur Überwindung der im Zusammenleben der Menschen auftretenden Konflikte. In einer anregenden und eingehenden Diskussion wurden Wert und Grenzen der Methoden des Kritischen Rationalismus erörtert.

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